Herausragende Einsätze in der Historie der Hamelner Feuerwehr


1983 : Großbrand „Dorint – Hotel“


Größte Menschenrettung in der Nachkriegsgeschichte der Feuerwehr Hameln !

Datum und Uhrzeit: 12. März 1983 ab 5.01 Uhr

Einsatzort: „Dorint-Hotel“; 164er Ring 3 (Stichstrasse nicht mehr existent;  damals: Von-Dingelstedt-Strasse)

Einsatzart: Brandeinsatz mit Menschenrettung

Das Brandobjekt im Jahre 1983 : Das „Dorint-Hotel“, Hamelns größtes Hotel, wurde in den Jahren um 1970 erbaut und besteht aus Kellergeschoss, Erdgeschoss sowie neun Obergeschossen und darüber befindlichen Technikräumen. Im Keller befindet sich eine Tanzbar, im Erdgeschoss sind im wesentlichen ausser der Empfangshalle Küchen und Wirtschaftsräume, ein Selbstbedienungs-Restaurant, ein Speiserestaurant sowie Büroräume untergebracht. Außerdem wird dort ein Frisörsalon betrieben, dessen Räume zur Brandzeit vom Hotel nicht brandschutztechnisch getrennt waren.
In allen Obergeschossen sind Appartements (Hotelzimmer und Nasszelle) sowie zusätzlich im 9. Obergeschoss eine Wohnung untergebracht. Jedes Appartement hat einen eigenen Balkon. Über den Restaurationsräumen befinden sich Tagungsräume. Außer einer notwendigen Treppe im eigenen Treppenraum führt eine offene Treppe zum einen von der Eingangshalle zur Bar im Keller, zum anderen zu den Tagungsräumen im Obergeschoss. Ein Innenhof ist von der Eingangshalle aus erreichbar. Die Kapazität des Hotels liegt bei 156 Betten. Der einzige durchgehende Treppenraum war durch den Brand von den Geschossfluren her derart verqualmt, dass er, wie auch die Geschossflure selbst, für eine ungehinderte Benutzung durch die Hotelgäste in der Anfangsphase ausschieden. In diesem Treppenraum befindet sich eine Trockene Steigleitung mit Entnahmeeinrichtung in jeder Geschossebene; im Erdgeschoss, 5. und 9. Obergeschoss sind Auslösemechanismen für eine Rauch- und Wärmeabzugsanlage angeordnet, und in jedem Geschoss dieses Treppenraumes befindet sich ein Druckknopf-Feuermelder. Der vom Treppenraum unmittelbar ins Freie führende Notausgang in der Strasse „164er Ring“ war zur Brandzeit verschlossen und aussen weitgehend durch Ziersträucher verdeckt, was allerdings den Einsatzablauf nur bedingt beeinflusste, da der Treppenraum ohnehin wegen der nachstehend geschilderten Verqualmung unbenutzbar war. Neben dem Treppenraum sind zwei Aufzüge im eigenen Schacht angeordnet. In den Geschossfluren gab es bis zum Brande keinerlei Abtrennungen.
Die einzelnen Geschosse verspringen terrassenförmig (siehe Bild).
Der Haupteingang liegt in einer verkehrsberuhigten Strasse (Von-Dingelstedt-Strasse), die durch das Aufstellen von Pflanzkübeln bewusst zur Sackgasse gemacht wurde.
Das Hotel ist zwar brandschutztechnisch getrennt, aber baulich verbunden zur einen Seite mit dem „Grossen Haus“ (Theater Hameln mit Vollbühne) und dem „Kleinen Haus“ (Versammlungsraum mit Kleinbühne) der „Weserbergland-Festhalle“, zur anderen Seite mit dem Komplex „Bellevue-Center“. Bei letzterem handelt es sich um mehrere miteinander verbundene Hochhäuser, in denen erdgeschossig u.a. Läden, Gaststätten, Arztpraxen und ein Hallenbad, in den Obergeschossen Arztpraxen und Wohnungen untergebracht sind. In dem Hochhaus unmittelbar neben dem „Dorint-Hotel“ wird ein Seniorenstift mit Alten- und Pflegeheim betrieben, das in zwei Obergeschossen in Pflegestationen mit Schwerstkranken (u.a. Querschnittsgelähmte, beidseitig Beinamputierte) belegt ist. Innerhalb aller dieser Baukörper bestehen fußläufige Verbindungen, so dass man ohne Umwege über öffentliche Verkehrsflächen von jedem Haus in jedes Haus gelangen kann. Ohne viel Phantasie kann man sich vorstellen, zu welchem Verhängnis hier eine einzige beispielsweise verkeilte Brandschutztür führen kann.






Die Entfernung zwischen Feuerwache und Hotel liegt bei etwa 500 m.

Lage bei Eintreffen und erste Massnahmen

Um 5.01 Uhr wird die Nachrichtenzentrale/Rettungsleitstelle (NZ/RLS) der Feuerwehr Hameln über den Notruf 112 vom Nachtportier des „Dorint-Hotel“ mit dem Hinweis alarmiert, dass im Eingang des Hotels Polstermöbel brennen. Die zunächst an einen Routineeinsatz glaubenden Kräfte des ersten Abmarsches sehen sich jedoch kurz darauf einer Situation gegenüber, die zur umfangreichsten Rettungsaktion der Feuerwehr Hameln seit Kriegsende führt und für diese mittelstädtische Feuerwehr in vielem über das übliche Maß hinausgeht.

Die Hauptberufliche Wachbereitschaft (HWB) der Freiwilligen Feuerwehr Hameln rückt aufgrund der ersten, harmlos klingenden Meldung mit TroTLF 16, DLK 23-12 und RTW 1 um 5.02 Uhr in der kompletten Besatzungsstärke von nur 1/3 (!) aus.
Gleichzeitig wird der diensthabende Einsatzleiter (Brandmeister vom Dienst = BvD), Brandoberinspektor Günter Harries, in seiner Wohnung alarmiert.

Um 5.03 Uhr meldet der eintreffende Wachabteilungsführer (WAF) der HWB, Hauptbrandmeister Wilhelm Scharenberg, über ein 4-Meter-Handfunkgerät der NZ/RLS: „Foyer Dorint-Hotel brennt ! Menschenleben in Gefahr ! Nachalarmieren ! „

Aufgrund dieser Rückmeldung von der Einsatzstelle läßt der BvD die in der Feuerwache wohnenden 6 Feuerwehrangehörigen über „Hausalarm“ sowie den 1. Zug der Ortsfeuerwehr Hameln über Rundsteueranlage alarmieren und fährt mit dem ELW 1 zur Einsatzstelle.
Der BvD erkennt jedoch unmittelbar nach Verlassen seiner Wohnung über dem Hotel eine solche Rauchsäule, dass er noch während der Fahrt die zusätzliche Weisung erteilt, auch den 2. und 3. Zug der Ortsfeuerwehr Hameln zu alarmieren.

Bereits um 5.06 Uhr treffen die ersten acht Feuerwehrleute (SB) des Hausalarms sowie des 1. Zuges auf der Feuerwache ein und bekommen von der NZ/RLS den Auftrag, sofort die 2. Drehleiter (DL 30) zu besetzen.
Zwei Mitarbeiter der HWB, die im Feuerwehrhaus wohnen, besetzen als zusätzliche Disponenten die NZ/RLS.

Um 5.07 Uhr trifft der BvD an der Einsatzstelle ein und findet folgende Lage vor:

Das Hotelgebäude ist an allen Außenseiten sowie im Innenbereich äußerst stark verqualmt. Auf den Balkonen und an den Fenstern gestikulieren zahlreiche Menschen und rufen um Hilfe. Eine Rücksprache mit dem WAF der HWB und den vor Ort befindlichen Polizeibeamten sowie Inaugenscheinnahme ergeben, dass eine unbekannte Personenzahl  gefährdet ist und mehrere Personen Anstalten machen, aus großer Höhe nach unten zu springen.
Weiter wird darauf hingewiesen, dass noch Personen in der im Keller befindlichen Bar sein könnten.
Der Nachtportier ist für die Feuerwehr zu diesem Zeitpunkt unauffindbar.
Im Erdgeschoss brennen die Hotelhalle und der Friseursalon in voller Ausdehnung.
Brandausbreitung über die Fenster zum ersten Obergeschoss ist gegeben. Durch die starke Wärmeentwicklung sind die Scheiben der für Rettungsaktionen vorgesehenen Flurfenster am Notausgang an der Strasse „164er-Ring“ bis zum dritten Obergeschoss bereits zerplatzt.

Je ein C-Rohr ist vom Haupteingang „Von-Dingelstedt-Strasse“ sowie von einem Nebeneingang am „164er-Ring“ aus unter umluftunabhängigem  Atemschutz im Einsatz.
Der mitgeführte Wasservorrat im TroTLF 16 ist fast erschöpft, eine Wasserversorgung von Hydranten infolge der extrem geringen Mannschaftsstärke noch nicht aufgebaut.
Ein Erreichen der Auslösung für die Rauch- und Wärmeabzugsanlage ist wegen der Brandintensität durch die Hotelhalle nicht möglich und unterbleibt auch über den Notausgang, weil dieser, wie erwähnt, hinter den Ziersträuchen zunächst nicht gesehen wird.
 
Weitere Einsatzabläufe

Entschluss

Der BvD entschließt sich um 5.08 Uhr zu folgenden Massnahmen:


  • Großalarm für die Ortsfeuerwehr Hameln und alle Kräfte der Hauptberuflichen Wachbereitschaft, einschließlich des Amtsleiters, Brandoberamtsrat Horst Much
  • Alarmierung des Tanklöschfahrzeugs (TLF 16/25) der zu Hameln gehörenden Stützpunktfeuerwehr Halvestorf
  • Einsatz von Megaphonen auf allen Gebäudeseiten zur Beruhigung der Hotelgäste sowie zum Weitergeben von Verhaltensmaßregeln (dieses geschieht durch Feuerwehr und Polizei)
  • Weisung an die Nachrichtenzentrale (NZ/RLS), die Führungskräfte telefonisch über die Situation vorzuinformieren
  • Alarmierung weiterer Notarzt- und Krankenwagen
  • Alarmierung von Oberstadtdirektor und Fachdezernent
  • Weisung an die NZ/RLS, als erste nachrückende Fahrzeuge die zweite Drehleiter (DL 30), ein TLF 16 sowie den GW-Atemschutz zu entsenden
  • Weisung an die NZ/RLS, vorsorglich die Stadtwerke zur Erhöhung des Wasserdruckes im Brandstellenbereich aufzufordern


Befehle

5.08 Uhr

  • Anweisung des BvD: „Sirenenalarm für die Ortschaft Hameln !“
  • Sirenenalarm wird von der NZ/RLS ausgeführt
  • DL 30 als erstes nachgeführtes Fahrzeug trifft mit 1/5 (SB) ein
  • Die Alarmweckerschleifen (Sammelruf Rundsteueranlage) aller Züge und der Freiwache HWB werden von der NZ/RLS ausgelöst
  • BvD fordert über die NZ/RLS das DRK mit Krankentransportwagen für mindestens 20 Verletzte an
  • Die FEL des Landkreises alarmiert den Notarzt über den FME 700 mit der Durchsage: „Notarzteinsatz Hameln, Dorint-Hotel, Großfeuer ! Hier Florian Hameln, Ende.“


5.09 Uhr - 5.16 Uhr
  • Der BvD gibt folgende Rückmeldung an die NZ/RLS: „Zur Lage: Es brennt Hotelhalle unten in voller Ausdehnung. Sehr starke Verqualmung gesamtes Hotel. Personen schreien um Hilfe. Es werden zunächst Fahrzeuge mit Tank benötigt.“
  • Der Sirenenalarm für die Ortschaft Hameln wird von der NZ/RLS zum zweiten Mal durchgeführt
  • Weitere Kräfte der FF Hameln erreichen mit dem zweiten TLF 16/25 sowie einem LF 16 die Einsatzstelle
  • Alarm für das Tanklöschfahrzeug (TLF 16/25) der FF Halvestorf über die FME-Schleife 119
  • Alarm für die gesamte Führungsmannschaft der Orts- und Stadtfeuerwehr Hameln über Funkmeldeempfänger
  • Der 4. Zug der FF Hameln rückt vom Feuerwehrhaus in Hameln-Rohrsen zur Einsatzstelle aus
  • Stadtbrandmeister Hermann Vollbrecht trifft an der Einsatzstelle ein
  • Die FEL des Landkreises alarmiert Kreisbrandmeister Friedrich Selle, den stellvertretenden Kreisbrandmeister Dieter Wortmann sowie den Brandschutzprüfer des Landkreises

 
Nach Eintreffen weiterer Führungskräfte und kurzer Beratung wird festgelegt, vorsorglich die Drehleitern der Nachbarstädte Bad Münder (DL 18) und Bad Pyrmont (DLK 23-12) anzufordern.
Die Stadt Bad Münder ist 16 Kilometer, die Stadt Bad Pyrmont 22 Kilometer von Hameln entfernt.

Es folgt der protokollierte Funkverkehr der landkreiseigenen FEL, der sicherlich die Dramatik der Anfangsphase dieses Einsatzes sehr gut erkennen lässt:

5.17 Uhr
  • Der Kreisbrandmeister ist bereits um 5.10 Uhr vor seiner Alarmierung als KBM, bedingt durch den Sirenenalarm, aus Hameln-Rohrsen abgerückt und gibt nach Rücksprache mit dem BvD nun von der Einsatzstelle an die FEL den Befehl: „Alarmieren Sie sofort die Drehleitern aus Bad Münder und Bad Pyrmont. Dringend !“


5.18 Uhr
  • Die FEL gibt Funkalarm: „Alarm für die Ortswehr Bad Pyrmont ! Feueralarm für die Feuerwehr Bad Münder !“


5.20 Uhr
  • Die FEL gibt Funkalarm: „Feueralarm für den Brandabschnittsleiter West, Grossfeuer, Dorint-Hotel, Hameln !“
  • Der stv. Kreisbrandmeister trifft an der Brandstelle ein


5.22 Uhr
  • Die Drehleiter DLK 23-12 der FF Bad Pyrmont meldet sich über Funk bei der FEL an und bekommt die Anweisung: „Fahren Sie mit der Drehleiter sofort nach Hameln. Dorint-Hotel. Dort Grossfeuer !“
  • KBM fordert die FEL auf: „Machen Sie Dampf !“


5.23 Uhr
  • Die FEL löst erneut die FME der FF Bad Münder aus.
  • Die Drehleiter DL 18 der FF Bad Münder meldet sich und bekommt von der FEL die Anweisung: „Besetzen Sie sofort die Drehleiter und fahren Sie auf dem schnellsten Wege nach Hameln. Dorint-Hotel. Dort Grossfeuer !“
  • DLK 23-12 Bad Pyrmont mit 1/4 und DL 18 Bad Münder mit 1/3 abgerückt
  • Die FEL spricht beide Drehleitern direkt über Funk an und fordert noch einmal energisch: „Machen Sie Dampf !“

 
Während die beiden Drehleitern zur nachbarlichen Hilfe alarmiert worden sind, werden an der Einsatzstelle drei Einsatzabschnitte gebildet.
  • 1. Suche und Rettung von Personen im Innenbereich des Hotels
  • 2. Suche und Rettung von Personen auf der Gebäudeseite „Von-Dingelstedt-Strasse“
  • 3. Suche und Rettung von Personen sowie Brandbekämpfung an der Gebäudeseite „164er-Ring“ (siehe Bild)

 
Vom Gesamteinsatzleiter (BvD) werden zusätzlich u.a. die Ablösung erschöpften Personals, die Einrichtung eines Pendelverkehrs zur Feuerwache zwecks Wiederbefüllung von Atemluftflaschen sowie die Bildung einer personellen und materiellen Einsatzreserve in der Feuerwache für weitere Einsätze in der Kernstadt organisiert.

5.34 Uhr
  • Der BvD gibt folgende Lagemeldung: „Treppenhaus völlig verqualmt, es sind immer noch eine Menge Leute in Gefahr !“
  • Die NZ/RLS informiert den BvD, daß sich beide auswärtigen Drehleitern auf dem Weg zur Einsatzstelle befinden. Die DLK Bad Pyrmont ist im Moment in Welsede (vom Einsatzort ca. 11 Kilometer entfernt), die DL Bad Münder auf der B 217 in Höhe Hameln-Rohrsen (vom Einsatzort ca. 4 Kilometer entfernt).


5.37 Uhr
  • Eine Rückmeldung an die NZ/RLS besagt, daß der 4. Zug der FF Hameln mit Steckleitern auf der Hotelrückseite eine Menschenrettung durchführt
  • Die Stadtwerke Hameln (GWS) melden die Erhöhung des Wasserdruckes im Brandstellenbereich


5.40 Uhr
  • Der Brandschutzabschnittsleiter-West der Kreisfeuerwehr, Walter Schulte, gibt eine Rückmeldung an die FEL: „Dorint brennt unter starker Rauchentwicklung. Fernsehraum, Treppenhaus und untere Etage brennen in voller Ausdehnung.“


5.41 Uhr
  • Der BvD ordnet an, daß der Notarzt Hameln und das DRK in grosser Zahl am Seiteneingang des „164er-Ring“ erscheinen sollen
  • DL 18 Bad Münder trifft an der Einsatzstelle ein

Am GW-Atemschutz wird ab 5.42 Uhr zentral unter der Leitung eines Zugführers der FF Hameln der Austausch von Atemluftflaschen durchgeführt. Zu diesem Zweck befährt der GW-Atemschutz die Falkestrasse entgegen der Einbahnrichtung und bezieht auf der Brücke zur Scharnhorststrasse in unmittelbarer Nähe zum Hotel seine Stellung.

In der Strasse „164er-Ring“ wird eine provisorische Verletztensammelstelle eingerichtet.
Zusammen mit dem Einsatzleiter der Polizei wird vorsorglich festgelegt, Hindernisse für Drehleitereinsätze (parkende Fahrzeuge, Abgrenzungspoller, Pflanzkübel) entfernen zu lassen sowie die Krankenhäuser telefonisch auf eine grössere Zahl verletzter Personen vorzubereiten.
Nach Rücksprache mit dem Oberstadtdirektor wird eine Sammelstelle für unverletzt Gerettete im nahen Rathaus eingerichtet. Decken für die Geretteten werden beim DRK angefordert.
Weiterhin wird ein städtisches Jugendheim vorsorglich zusätzlich für die Aufnahme von Geretteten und/oder zu evakuierenden Personen hergerichtet.


5.44 Uhr
  • Ein Angriffstrupp meldet über Funk, daß man im 8. OG des Hotels eine bewußtlose Person im Treppenraum gefunden habe. Es wird von diesem Trupp ein RTW und der Notarzt zum Seiteneingang „164er-Ring“ bestellt. Es handelt sich um eine 76jährige Frau aus Appartement 806, die mit einer starken Rauchgasintoxikation vorgefunden und über den Treppenraum gerettet wird. Diese Frau hatte entgegen den an der Appartementtür angebrachten Hinweisen für den Brandfall sich nicht am Fenster bemerkbar gemacht, sondern offenbar versucht, über den verqualmten Flur die Treppe oder den Fahrstuhl zu erreichen.


5.47 Uhr
  • Die DLK 23-12 der FF Bad Pyrmont ist eingetroffen und wird zur Menschenrettung im Bereich der „Von-Dingelstedt-Strasse“ in Stellung gebracht
  • Die DL 18 der FF Bad Münder wird zur Menschenrettung im Bereich des „164er-Ring“ eingesetzt
  • Der BvD ordnet an, daß die Atemschutzgeräteträger ihre Atemluftflaschen am GW-Atemschutz tauschen und aufgrund ihrer inzwischen gewonnenen Hotel-Ortskenntnisse sofort wieder zur Menschenrettung ins Gebäude vorgehen sollen.


5.48 Uhr
Defekter Leiterpark der DL Hameln
  • Die zweite Drehleiter der FF Hameln (DL 30) ist im Leiterpark gerissen. Ursache: Das obere Leiterteil hatte sich zwischen einem Fensterrahmen und einer umgefallenen Stehlampe verklemmt, und dadurch hatten sich die Seile verfangen.


5.50 Uhr
  • Der BvD meldet, daß das „Feuer in Gewalt !“ ist. Insgesamt kann der Brand im Erdgeschoss unter Einsatz von 4 C-Rohren zu diesem Zeitpunkt völlig gelöscht werden.


5.53 Uhr
  • Die NZ/RLS meldet die Feuerwache mit einer Stärke von 1/9 (SB) besetzt
  • Der BvD ordnet an, mindestens eine Ortsfeuerwehr mit einem LF 8 zu alarmieren
  • Die NZ/RLS löst Sirenenalarm für die Ortsfeuerwehren Tündern und Afferde aus


6.01 Uhr
  • Der WAF der HWB meldet über Funk, daß weitere Verletzte gerettet wurden. Er erhält die Mitteilung, daß zum jetzigen Zeitpunkt sechs Krankentransportwagen (KTW) und ein Notarzt am Seiteneingang „164er-Ring“ zur Verfügung stehen.
  • Der BvD ordnet an, daß die Suche nach vermissten Personen unverzüglich fortzusetzen ist. Bei den Hotelzimmern, die  bereits durchsucht worden sind, werden von den Atemschutztrupps die Türen von aussen gekennzeichnet.


6.15 Uhr
  • Erneute Rückmeldung der Einsatzleitung: „Feuer unter Kontrolle !“
  • Die Menschenrettung ist abgeschlossen. Einige Personen, für die keine Gefahr besteht, können nun aus dem Gebäude geführt werden, ohne daß dafür Drehleitern eingesetzt werden müssen.

 
Fazit

Von 40 im Hotel befindlichen Personen wurden vier über tragbare Leitern und 15 über Drehleitern gerettet. Zwei Personen (ortskundiges Personal) brachten sich aus dem Notausgang der Bar im Keller, zwei weitere über eine an der Fassade angebrachte Feuerleiter aus dem 8. Obergeschoß selbst in Sicherheit.
Zu erwähnen ist, daß mehrere Hotelgäste körperbehindert waren, was zu Erschwernissen bei der Rettungsaktion beitrug. Insgesamt wurden 9 Personen mit Rauchgasintoxikationen in die Hamelner Krankenhäuser eingeliefert, von denen die Mehrzahl schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit wieder entlassen werden konnte.

Im Einsatz waren vor Ort insgesamt 76 Dienstkräfte (SB) der Feuerwehren, Notarzt, Krankentransportorganisationen einschließlich einem KTW der britischen Streitkräfte (Army Medical Services), 35 Beamte von Schutz- und Kriminalpolizei, der zuständige Brandschutzprüfer sowie Personal von Privatfirmen (z.B. diverse Abschleppunternehmer).

An Material waren im Einsatz: 21 Fahrzeuge der Feuerwehren einschließlich vier Hubrettungsgeräten, einem RTW und einem KTW sowie 42 Preßluftatmern, einem Be- und Entlüftungsgerät, zwei vierteiligen Steckleitern und einer dreiteiligen Schiebleiter; ferner ein RTW und mehrere KTW des DRK und eines Privatunternehmers.

 
Positive Erkenntnisse
  • Der Ersteinsatz von Feuerwehrmännern der Hauptberuflichen Wachbereitschaft (HWB) konnte schon zwei Minuten nach der telefonischen Alarmierung erfolgen, und es bestand die Möglichkeit der schnellsten Heranführung von Nachschubeinheiten, weil das Hotel nicht weit von der Feuerwache entfernt liegt, die Verkehrs- und Wetterlage zur Brandzeit in keiner Weise hinderlich waren und praktisch alle freiwilligen und dienstfreien hauptberuflichen Feuerwehrmänner in ihren Wohnungen anwesend waren
  • Möglichkeit der schnellsten Heranführung von Nachbarschaftshilfe aus den gleichen Gründen wie oben erwähnt
  • Es konnte erreicht werden, daß alle im Hotel eingeschlossenen 40 Personen das Ereignis überlebten und ihre körperliche Unversehrtheit wiedererlangten. Nur die 76jährige Frau aus dem 8. OG erlitt eine lebensbedrohliche Rauchgasintoxikation, von der sie sich jedoch ebenfalls vollständig erholte.
  • Kein Feuerwehrmann wurde verletzt
  • Infolge energischer und großräumiger Absperrungen durch die Polizei kam es kaum zu Behinderungen durch Schaulustige
  • Gute Zusammenarbeit aller eingesetzten Organisationen und Behörden
  • Kein Wasserschaden
  • Die vorbildliche Arbeit der Feuerwehr wurde von zahlreichen Brandschutzexperten anderer Städte und Behörden, die die Einsatzstelle an den folgenden Tagen besichtigten, gelobt.

 
Negative Erkenntnisse
  • Die telefonische Meldung ohne Nennung der erheblichen Gefahrensituation erweckte zunächst den Eindruck eines Bagatelleinsatzes
  • Es dauerte sehr lange, bis Angaben über die Zahl der im Gebäude befindlichen Personen und darüber, welche Zimmer belegt waren, bekannt wurden. Über einen langen Zeitraum mußte mit einer wesentlich höheren Zahl gefährdeter Personen im Hotel gerechnet werden, weil kompetente Ansprechpartner des Hotels nicht zur Verfügung standen und die Belegungslisten durch Brandeinwirkung zerstört waren. Aus Gründen der besseren Aussicht und der geringeren Lärmbelästigung waren die Hotelbewohner ausgerechnet in den höherliegenden Geschossen einquartiert worden.
  • Die terrassenförmige Anordnung der Geschosse ließ den Einsatz von Leitern nur in beschränktem Umfange zu
  • Sehr starke Verqualmung des Gebäudeinneren infolge Bauausführungsmängeln. Bei den nachträglichen Ermittlungen stellte sich heraus, daß ein senkrechter, feuerbeständig geforderter Installationsschacht in allen Geschossen im Bereich der Zwischendecken unterbrochen war. Dieses bei der Gebäudeabnahme nicht erkennbare Phänomen führte zu der ungeheuren Verqualmung aller Geschosse, die obendrein nicht in Rauchabschnitte unterteilt waren. Erschwerend kam hinzu, daß viele Gäste aus Bequemlichkeit die Tür zwischen Schlafraum und Nasszelle offengelassen hatten. Die sich auch über die in den Nasszellen endenden Lüftungsanlagen ausbreitende Verqualmung erreichte in diesen Fällen die schlafenden Gäste mit besonderer Intensität.
  • Eine Drehleiter fiel während des Einsatzes aus

 

Brandursache und Schadenhöhe

Die Brandursache konnte nicht ermittelt werden. Nach eigener Aussage kam der Nachtportier, nachdem er die Morgenzeitungen hereingeholt hatte, auf den Brand zu und alarmierte die Feuerwache.
Kurz vor der Brandentdeckung hatten die letzten vier Gäste die Bar im Keller über die Hotelhalle verlassen. Es ist nicht auszuschließen, daß diese Gäste mit der Brandentstehung in Zusammenhang zu bringen sind.
Zunächst erschien es unerklärlich, daß der Brand nach kurzer Zeit (schätzungsweise 20 Minuten) einen derartigen Umfang annehmen und eine so verhängnisvolle Verqualmung herbeiführen konnte. Brandversuche mit den in der Eingangshalle unter den Ledersitzgruppen verwendeten Teppichen (Greiferware mit Langflor, Polmaterial aus Polyacryl = 47,5 %, Kette aus Flachs = 2,4 % und Baumwolle = 5 % sowie Schußmaterial Jute = 45,1 %) ergaben jedoch in kürzester Zeit eine so frappierende Brandintensität, daß sich schon alleine daraus die schnelle Brandausbreitung über die gesamte Eingangshalle erklären könnte.

Die Schadenhöhe (Brandschaden, Sanierung der Stahlbetonkonstruktion, Renovierung) ohne Betriebsausfallschaden beläuft sich auf rund 3,5 Millionen DM. (heute: 1.789.522 €)
Das Hotel wurde am 15. Juni 1983 wieder in Betrieb genommen. Unter den durchgeführten brandschutztechnischen Verbesserungen sind u.a. erwähnenswert: Einwandfreie Ausführung des vorgenannten Installationsschachtes, Unterteilung aller Obergeschossflure in Rauchabschnitte, Abschottung des Frisörsalons im Erdgeschoß gegen die Eingangshalle, Optimierung des durchgehenden Treppenraumes, teilweiser Ersatz von Pflanzkübeln durch von der Feuerwehr entfernbare Pfähle.

Abschließend sei erwähnt, daß die Feuerwehr in diesem Falle ausnahmsweise von der Kardinalregel „Menschenrettung geht vor Brandbekämpfung“ abweichen mußte, weil in der Erstphase ein Nebeneinander von Leitermanövern und Brandbekämpfung wegen der geringen Personalstärke unmöglich war, andererseits eine weitere Brandausweitung aber die Hotelgäste zusätzlich schwerstens gefährdet hätte.
Übrigens verbot sich auch der Einsatz von Sprungrettungsgeräten nicht nur wegen der Personalnot, sondern auch wegen der großen Sprunghöhen und der terrassenförmigen Bauart des Hotels.
 
Hauptbericht:

Brandoberamtsrat a.D. Günter Harries (HWB)
(1983 im Rang eines Brandoberinspektors als stv. Amtsleiter der Hauptberuflichen Wachbereitschaft der Freiwilligen Feuerwehr Hameln tätig und am Brandtag der diensthabende Brandmeister vom Dienst [BvD] und Gesamteinsatzleiter)
 
Ergänzungen:

HBM Bernhard Mandla (HWB)
(1983 im Rang eines Feuerwehrmannes des 1. Zuges der Freiwilligen Feuerwehr Hameln tätig. Am Brandtag mit dem ersten nachrückenden Fahrzeug (DL 30) als 1. Angriffstrupp im Innenangriff zur Menschenrettung und Brandbekämpfung als A-Truppmann eingesetzt)


 
Quellen:
  • „brandschutz“/Deutsche Feuerwehr-Zeitung 3/1984; Verfasser: BOI Günter Harries
  • Privatarchiv Mandla


Untenstehender Bericht aus: "BILD am Sonntag" vom 13.03.1983


Freiwillige Feuerwehr Hameln        Ruthenstrasse 7      31785 Hameln
gesponsert durch

Freiwillige Feuerwehr Hameln
abmelden