Herausragende Einsätze in der Historie der Feuerwehr Hameln


1971: Großfeuer „Lederwaren Möller“


Datum und Uhrzeit:  01.09.1971 ab 23.54 Uhr

Einsatzort: Bäckerstrasse 14

Einsatzart: Brandeinsatz mit Menschenrettung

Durch vorsätzliche Brandstiftung gerät inmitten der engbebauten Altstadt ein großer Gebäudekomplex in Brand.
Nur durch den Einsatz aller verfügbaren Feuerwehrkräfte Hamelns kann verhindert werden, daß Personen zu Schaden kommen und das Feuer noch weitere historische Bausubstanz der alten Weserstadt zerstört.

Objekt

Bei dem Brandobjekt inmitten der historischen Altstadt handelt es sich um mehrere  verschachtelte Fachwerkgebäude auf drei Grundstücken, die allesamt miteinander in direkter Verbindung stehen.
Die rückwärtigen Gebäude positionieren sich in dem Häuserblock zwischen Bäckerstrasse / Alter Marktstrasse und Neuer Marktstrasse.
In dem Gebäude  Bäckerstrasse 14 ist das Ladengeschäft von „Lederwaren Möller“ sowie die Wohnung der Familie untergebracht.
Die rückwärtigen Fachwerkgebäude beherbergen die Sportabteilung, das Lager, die Werkstatt sowie die Büroräume.
Die Gesamtfläche des Brandobjektes beträgt 589 m².

An das Grundstück grenzt direkt die Spirituosenhandlung „Wein Kropp“ (Bäckerstrasse 13).
Auch das Gasthaus „Rattenkrug“ in einem denkmalgeschützten Weserrenaissancegebäude (Bäckerstrasse 16) befindet sich in unmittelbarer Nähe zum Brandobjekt.

Die Bäckerstrasse ist im Jahre 1971 noch eine der meistbefahrenen Strassen Hamelns. Eine Fußgängerzone wird dort erst mehrere Jahre später eingerichtet.

Die Entfernung vom Brandobjekt zur Feuerwache beträgt Luftlinie etwa 300 Meter, die Anfahrt auf dem Straßenwege circa 650 Meter.

Alarmierung

Der Nachrichtenzentrale (NZ) der ständig besetzten Feuerwache Hameln wird um 23.54 Uhr über den Notruf vom Inhaber des Gasthauses „Rattenkrug“, Herrn Kropp,  sowie persönlich von einem Autofahrer ein Feuer bei der Firma „Lederwaren Möller“ gemeldet.
Der Telefonist, OFM Ebrecht, alarmiert daraufhin über den Wachalarm die diensthabende Schicht der Hauptberuflichen Wachbereitschaft.
Diese rückt um 23.55 Uhr mit dem TLF 16-T (Wagen 2), der DL 30 (Wg. 3) sowie dem UW* (Wg. 4) mit einer Besatzungsstärke von 1/5 (SB) aus.
(* Unfallwagen = Fahrzeug für den Unfall- und Krankentransport / heute: KTW)
Bereits auf der Anfahrt über die ebenfalls damals noch zu befahrende Osterstrasse kann der Wachhabende, HFM Reimann, deutlichen Flammenschein aus Richtung Bäckerstrasse erkennen.
Er fordert deshalb über Funk „Verstärkung“ an und läßt „Hausalarm“ für die im Wohnhaus der Feuerwache lebenden Feuerwehrangehörigen auslösen.

Zeitgleich wird der diensthabende Brandmeister vom Dienst (BvD), BM Dieter Wortmann, in seiner Wohnung alarmiert.

Lage bei Eintreffen

Die Hintergebäude des Wohn- und Geschäftskomplexes „Lederwaren Möller“ brennen in voller Ausdehnung.
Starkes Flugfeuer gefährdet die Nachbarhäuser. Der Strom ist bereits ausgefallen, so daß die Brandstelle in Dunkelheit und starkem Rauch liegt.
An einem Fenster im 1. Obergeschoß des Hauses „Bäckerstrasse 14“ steht Liane Möller, eine junge Hausbewohnerin und schreit laut um Hilfe.
Sie deutet an, zu ihrer Rettung aus dem Fenster springen zu wollen.
Frau Möller ist durch Brandrauch auf das Feuer aufmerksam geworden, jedoch ist ihr bereits zu diesem Zeitpunkt der Fluchtweg über den hölzernen Treppenraum abgeschnitten.
Sie ist in der Brandnacht die einzige Person, die sich in dem großen Haus aufhält.

Erstmaßnahmen

Zunächst werden die junge Frau, zwei Hunde sowie eine Katze mit Hilfe der DL 30 aus dem brennenden Gebäude gerettet.
Gleichzeitig wird mit der Schnellangriffseinrichtung des TLF 16-T eine Brandbekämpfung eingeleitet, um eine Ausweitung des Feuers zunächst einzudämmen.

Weitere Ereignisse

Um 0.05 Uhr trifft der BvD Wortmann mit dem Kommandowagen I [Wg. 1] an der Einsatzstelle ein und läßt aufgrund der vorgefundenen Gefahrensituation (Menschenrettung, Vollbrand mehrerer Fachwerkgebäude, rasche Brandausweitung, starkes Flugfeuer in die historische Altstadt) sofort Vollalarm für die gesamte Freiwillige Feuerwehr Hameln auslösen.
Die Alarmweckerschleifen (Alarmsystem, gesteuert über das Lichtnetz) aller 4 Züge der Freiwilligen Feuerwehr sowie der wachfreien Schichten (Freiwache) der Hauptberuflichen Wachbereitschaft in den Wohnungen der Feuerwehrleute werden aktiviert.

Zur gleichen Zeit (0.05 Uhr) trifft der Kommandowagen II [Wg. 6] mit den Männern des „Hausalarm“ am Brandort ein.

Die DL 24 [Wg. 18] erreicht die Brandstelle um 0.07 Uhr.

Um 0.08 Uhr werden die ungefähr 20 Zivilschutzsirenen der Kernstadt Hameln zwei Mal mit dem Feuer-Signal ausgelöst, um auch die Feuerwehrleute zu erreichen, die sich nicht in ihren Wohnungen befinden und somit die ortsfesten Alarmwecker nicht hören können.
So eilen auch diejenigen Wehrmänner zum Einsatz, die sich zum Beispiel in der Nachtschicht befinden.

0.14 Uhr: LF 16/III [Wg. 5], LF 8-TS 8/8 [Wg. 9] und Kleinlöschfahrzeug mit TSA [Wg. 14] rücken aus.

0.16 Uhr: LF 16/II [Wg. 10] rückt aus

0.17 Uhr: KLF-TS 8/8 [Wg. 15] rückt aus

0.22 Uhr: LF 8 [Wg. 7] rückt aus

0.25 Uhr: Der stv. Kreisbrandmeister Friedrich Selle trifft ein, läßt sich in die Lage einweisen und übernimmt verantwortlich die Gesamteinsatzleitung.

Zur Unterstützung wird die Freiwillige Feuerwehr Afferde über Sirene alarmiert.

0.27 Uhr: LF 16/I  [Wg. 8] rückt aus

0.32 Uhr: SW 2000 [Wg.11]  rückt aus

0.45 Uhr: FF Afferde mit einem Löschfahrzeug und Gesamtstärke von 1/12 (SB) am Brandort eingetroffen und ist dort bis 4.00 Uhr im Einsatz.

Weitere Einsatzmassnahmen und Fazit


  • Wasserversorgung über Hydranten in der Bäckerstrasse und Verlegung einer Schlauchleitung aus der Wendenstrasse
  • Wasserversorgung über lange Wegstrecke von der Weser in Höhe Langer Wall zur Brandstelle
  • Umfassender Löschangriff mit 6 B- und 8 C-Rohren zur Brandbekämpfung und zum Schutz der umliegenden Altbausubstanz durch insgesamt 84 Feuerwehrleute (SB)
  • Schutz einer Tanksäule und Benzinfässern auf dem Hof zwischen „Lederwaren Möller“ und „Weinhandlung Kropp“. Das Spirituosengeschäft wird zwar vom Brand in Mitleidenschaft gezogen, kann jedoch gehalten werden. Aus dem beschriebenen Hofbereich werden auch noch zwei abgestellte Lastkraftwagen geborgen.
  • Schutz des benachbarten Textilgeschäftes „Mode-Gassel“. Ein Übergreifen der Flammen auf das Geschäft kann verhindert werden, allerdings entsteht Schaden durch Löschwasser.
  • Erfolgreiche Evakuierung aller Bewohner der umliegenden Häuser durch Feuerwehrleute und Polizisten.
  • Insgesamt 7 Feuerwehrleute werden bei diesem gefährlichen Einsatz verletzt und müssen sich in ärztliche Behandlung begeben. Vor allem der starke Brandrauch und die Dunkelheit des ohnehin schon finsteren und verschachtelten Fachwerk-Hinterhauskomplexes machen den Männern der Wehr zu schaffen

1.55 Uhr: Wagen 4 (Unfallwagen) rückt zur Wache ein

2.15 Uhr: Bergungs-u. Abschleppfahrzeug GMC [Wg. 17] rückt aus

2.32 Uhr: Die Fahrzeuge der Hauptberuflichen Wachbereitschaft (TLF 16-T und DL 30) werden aus dem Einsatz herausgelöst, um nach vollständiger Bestückung für weitere Einsätze in der Kernstadt einsatzbereit zu sein

4.30 Uhr: Feuer aus ! Einige Fahrzeuge rücken wieder zur Wache ein (Wagen 10 und 5).

5.30 - 11.50 Uhr: Weitere Fahrzeuge verbleiben noch für eine unterschiedliche Zeitdauer vor Ort und rücken später ein: Wagen 11 [5.30 Uhr], Wagen 14 [7.00 Uhr], Wagen 17 [7.30 Uhr], Wagen 7 [7.45 Uhr], Wagen 9 und 15 [8.31 Uhr], Wagen 6 [10.30 Uhr] und Wagen 18 [11.50 Uhr].

20.45 Uhr: Kommandowagen I [Wg. 1] rückt ein

24.00 Uhr: LF 16/I  [Wg. 8]  als letztes Fahrzeug der Brandwache verläßt die Einsatzstelle. Einsatzende.

Eingesetzte Fahrzeuge (Wagen-Nr; Fz-Bezeichnung; Typ, Baujahr, KFZ-Kennzeichen)


  • Wg. 1 / KdoW I ( VW-Variant, Bj. 1969, HM-120)
  • Wg. 2 / TLF 16-T ( Mercedes-Benz Typ LAF 3500, Bj. 1954, HM-135)
  • Wg. 3 / DL 30 ( Magirus Deutz Merkur S 7500; Bj. 1958; HM-142)
  • Wg. 4 / UW ( VW-Transporter; Bj. 1966; HM-146)
  • Wg. 5 / LF 16/III ( Magirus-Deutz-Merkur-125; Bj.1958; HM-143)
  • Wg. 6 / KdoW II (VW-Transporter; Bj. 1956; HM-L 211)
  • Wg. 7 / LF 8 ( Faun Typ F 24 DL/310 Allrad; Bj. 1962; HM-144)
  • Wg. 8 / LF 16/I (Merc.Benz Diesel; Bj. 1941; HM-136)
  • Wg. 9 / LF 8 (Faun F 24- DL-S; Bj. 1964; HM-145)
  • Wg.10 / LF 16/II (Mercedes-Benz-1113; Bj. 1970; HM-121)
  • Wg.11 / SW 2000 (Mercedes-Benz LAF 312/42; Bj. 1955; HM-140)
  • Wg.14 / KLF (VW-Tranporter; Bj. 1956; HM-131)
  • Wg.15 / KLF (VW-Transporter; Bj. 1957; HM-149)
  • Wg.17 / Abschlepp/Bergungsfahrzeug (GMC; Bj. ca. 1943; HM-134)
  • Wg.18 / DL 24 (Magirus-Deutz M 30 L S 88; Bj. 1936; HM-141)

Brandursache

Die Ermittlungen der Polizei Hameln um Hauptkommissar Boesgen und eines hinzugerufenen Experten der Polizei Hannover ergeben eindeutig vorsätzliche Brandstiftung als Ursache dieses Großfeuers.

Schadenhöhe

Es entsteht ein Sachschaden in Höhe von 300.000 Mark.

Einsatzleiter

Am Brandtag war Friedrich Selle in seiner Funktion als stv. Kreisbrandmeister der damals noch kreisfreien Stadt Hameln als Einsatzleiter tätig, da KBM. Wilhelm Niehoff im Urlaub weilte.
Von 1975 bis 1987 war F. Selle dann Kreisbrandmeister des Landkreises Hameln-Pyrmont.
 
Bericht
 
OBM Bernhard Mandla
Feuerwehr Hameln

2006
 
   
   
   
Hameln, Bäckerstrasse 1971 Das ausgebrannte Dachstuhl Blick vom rückwärtigen Bereich auf das brennende Lager, das Büro und die Werkstätten DL 30 auf der Bäckerstrasse vor dem Ladengeschäft nach der Menschenrettung
Die ausgebrannten Dachstühle der Hintergebäude während der Nachlöscharbeiten Eines der ausgebrannten Werkstattgebäude Die Gebäude brennen in voller Ausdehnung Kommandowagen KdoW I
Wagen 1
Tanklöschfahrzeug TLF 16-T
Wagen 2
Drehleiter DL 30
Wagen 3
Unfall-Wagen
Wagen 4
Löschgruppenfahrzeug LF 16/III
Wagen 5
Kommandowagen KdoW II
Wagen 6
Löschgruppenfahrzeug LF 8
Wagen 7
Löschgruppenfahrzeug LF 16/I
Wagen 8
Löschgruppenfahrzeug LF 8
Wagen 9
Löschgruppenfahrzeug LF 16/II
Wagen 10
Schlauchwagen SW 2000
Wagen 11
Kleinlöschfahrzeug KLF
Wagen 14
Kleinlöschfahrzeug KLF
Wagen 15
Lastwagen LKW
Wagen 16
Abschlepp- und Bergefahrzeug
Wagen 17
Drehleiter DL 24
Wagen 18


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