Herausragende Einsätze in der Historie der Hamelner Feuerwehr


2002: Großbrand „Jugendwerkstatt“ Ruthenstrasse


Größtes Feuer in der Nachkriegsgeschichte der Hamelner Feuerwehr !

Datum und Uhrzeit:  3. März 2002 ab 4.34 Uhr

Einsatzort:    Gebäudekomplex „Ehemalige Hauptgenossenschaft“, Ruthenstrasse 8 – 10

Einsatzart:    Brandeinsatz mit Menschenrettung

In den frühen Morgenstunden des 3. März 2002 kommt es infolge einer vorsätzlichen Brandstiftung im Industriegebiet „Süd“ zu einem Feuer, das in seiner Folge die mittelstädtische Feuerwehr Hameln an ihre personellen und materiellen Grenzen führt.
Die Stadt Hameln weist im Jahre 2002 auf einer Gesamtfläche von 102,3 km² insgesamt 59.156 Einwohner auf.

Feuerwehr Hameln 2002

Die Freiwillige Feuerwehr Hameln mit ca. 99 aktiven Feuerwehrleuten (SB) in 4 Zügen verfügt über eine ständig besetzte Feuerwache direkt an der Peripherie der historischen Altstadt mit 19 Einsatzfahrzeugen an diesem Standort. Hier sind die Hauptberufliche Wachbereitschaft (HWB) sowie die Züge 1 – 3 der FF Hameln stationiert.
Ein weiteres Feuerwehrhaus mit 3 Fahrzeugen befindet sich im 4 Kilometer entfernten Ortsteil Hameln-Rohrsen (4. Zug).
Seit 1945 existiert die HWB mit insgesamt 34 Bediensteten in drei Wachabteilungen für die Bereiche Brandschutz, Hilfeleistung und Rettungsdienst, die jeweils in 24-Stunden-Schichten ihren Dienst versieht.
Die Nachrichtenzentrale/Rettungsleitstelle (NZ/RLS) auf der Feuerwache ist ständig mit einem Disponenten der HWB, ebenfalls im 24-Stunden-Dienst besetzt.
Die Alarmierung der HWB im Berichtsjahr erfolgt über Wachalarm, die der Freiwilligen Feuerwehr über analoge und digitale Meldeempfänger sowie Alarmwecker (Rundsteueranlage über das Lichtnetz). Sirenen gibt es in der Ortschaft Hameln nicht mehr.

Die Entfernung vom Brandobjekt zur Feuerwache Hameln beträgt circa 800 Meter.

Objekt

Bei dem Brandobjekt handelt es sich in erster Linie um drei aneinandergereihte Gebäudeteile der  ehemaligen „Hauptgenossenschaft Hannover“, Aussenstelle Hameln, an der Ruthenstrasse 10. Hierbei handelt es sich ausschließlich um ehemalige Getreidespeicher, die in den vergangenen Jahren von unterschiedlichsten Nutzern für ihre Zwecke verwendet und dazu entsprechend umgebaut worden waren.

Das größte, nördlich gelegene Gebäude (2.260 m²) ist eine 2-geschossige Halle, Baujahr 1900, mit Umfassungswänden aus Backstein und einer inneren, reinen und sehr massiven Holzkonstruktion, um große Flächenlasten aufnehmen zu können. Es wird als „Speicher II“ bezeichnet.

Das mittlere der drei Gebäude (348 m²) ist als 4-geschossiges Speichergebäude mit einer Gesamtnutzfläche von 1.220 m² aus einer Eisenbeton-Skelettkonstruktion im Jahre 1923 direkt an der alten Halle errichtet worden. Die stabile Dimensionierung der Tragwerke erlaubte ursprünglich auch hier eine flächendeckende, horizontale Lagerung des Getreides, was später durch den Einbau von Betonkammern auf senkrechte Silozellen umgestellt wurde. 

Das jüngste, südlichste der drei Gebäude ist 1954 in Stahlbeton-Skelettbauweise ähnlich wie  das Mittelgebäude dort direkt angebaut worden, jedoch in weitaus besserer Qualität. Auch hier wurde, wie im gesamten Gebäudekomplex, Getreide eingelagert. Dieses Gebäude, das nur drei Geschosse aufweist, verfügt über eine Grundfläche von 524 m² und eine Gesamtnutzfläche von 1.600 m².
Das mittlere sowie südlichste Gebäude wird im folgenden Bericht zusammenfassend als der „Speicher I“  bezeichnet. 

Diese Gebäudeteile im Hafenbereich sind bereits von der „Jugendwerkstatt Hameln“ aufgekauft worden und sollen nach umfangreichen Umbauten einer neuen Verwendung zugeführt werden (Diverse Werkstätten, Bürogebäude, Cafe, Möbellager, Tischlerei, Sozial- u. Nebenräume für circa 180 Jugendliche).
Die „Jugendwerkstatt Hameln“ ist eine diakonische Einrichtung des Ev.-luth. Kirchenkreises Hameln-Pyrmont.

Bei dem Gebäudekomplex „Ruthenstrasse 8 - 10“ handelt es sich also um ein Wohnhaus
(204 m²), eine Garagenanlage ( 238 m²), den Kraftfahrzeug-Meisterbetrieb „Autoteile Schmidt“ (715 m²), einen ehemaligen Getreidespeicher (Speicher II / 2.260 m²) sowie zwei zusammenhängende Lagergebäude (Speicher I / 872 m²).
Die KFZ-Werkstatt ist in Stahlskelettbauweise, ohne Existenz einer entsprechenden brandschutztechnischen Abtrennung, an den Speicher II direkt angebaut worden und weist strassenseitig große Glasflächen auf.
Wohnhaus und KFZ-Bürogebäude sind in massiver Bauweise erstellt und stehen wiederum mit der KFZ-Werkstatt in direkter Verbindung.

Vom Feuer unmittelbar betroffen sind in der Brandnacht insgesamt 2.975 m² bebaute Fläche unterschiedlicher Art und Nutzung.
Durch Brandausbreitung, Hitzestrahlung sowie Funkenflug sind allein schon auf dem vorgenannten Areal 4.289 m² bebaute Fläche sowie ein Baukran gefährdet..

Bei diesem Baukran handelt es sich um einen ca. 53,9 m hohen, sogenannten „Stadt-Kran“ („City-Crane“), der an der Mastspitze ein 36,8 Meter langes Drehteil besitzt, welches aus einem Schwenkteil und einem Gegenausleger besteht.
Diese „Stadtkräne“ verfügen über eine K-Mastkonstruktion mit Einzelelementen für stapelbare Masten. Der Zusammenbau dieser Elemente geschieht durch abgestufte, kreuzförmige Bolzen und Bolzeneintreiber auf jeder Verbindungsstufe. Das Gesamtgewicht dieses auf dem Gelände fundamentierten Baukrans beträgt ca. 18.000 kg.





Wetterlage

Temperatur 1° Celsius;  trockene Witterung; leichter Süd-West-Wind

Alarmierung

Um 4.34 Uhr erhält die Nachrichtenzentrale/Rettungsleitstelle (NZ/RLS) der ständig besetzten Feuerwache in Hameln über den Notruf 112 von einem Anwohner der Ruthenstrasse 11 die erste von über 60 telefonischen Feuermeldungen zu diesem Schadenereignis.
Der Anrufer teilt mit, daß „der Dachstuhl der Hauptgenossenschaft an der Ruthenstrasse lichterloh brennt !“
Da dem Disponenten in der NZ/RLS der Meldende sowie das Brandobjekt persönlich sehr gut bekannt sind, da er selbst in unmittelbarer Nähe („Am Hafen“) zum Brandobjekt wohnt, entschließt er sich laut Alarm- und Ausrückeordnung (AAO) sofort zu dem Alarmstichwort: „Feuer 03 groß, Menschenleben in Gefahr“.
Er löst deshalb noch in derselben Minute den wachinternen Feueralarm für die diensthabende Wachabteilung 2 sowie den „Hausalarm“ für die fünf Bewohner des Wohnhauses der Feuerwache aus und alarmiert parallel über den Einsatzleitrechner zwei Züge ( 1. und 2. Zug) der Freiwilligen Feuerwehr nach.
Bei der mit der NZ/RLS per Direktleitung verbundenen Feuerwehr-Einsatz-Leitstelle/Rettungsleitstelle (FEL/RLS) des Landkreises Hameln-Pyrmont fordert er darüber hinaus einen zusätzlichen Rettungswagen (RTW) des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) sowie den Notarzt Hameln mit dem Notarzt-Einsatz-Fahrzeug (NEF) an.
Grund für diese Maßnahme ist die Kenntnis des Disponenten um das an die Hauptgenossenschaft direkt angebaute Wohnhaus „Ruthenstrasse 8“ mit einer darin wohnenden, kinderreichen Familie.
Bedingt durch die nachtschlafende Zeit muß davon ausgegangen werden, daß sich die Familie komplett zu Hause aufhält und noch nichts von dem Brand bemerkt hat.

Anfahrt

Der mit TLF 16/25, DLK 23-12 und RTW 1 um 4.35 Uhr mit einer Besatzungsstärke von 1/6 ausgerückte Löschzug der Hauptberuflichen Wachbereitschaft (HWB) erkennt schon auf der Anfahrt riesige Flammen sowie eine immense Rauchentwicklung im Bereich des Hafens. Darüber hinaus fliegen große, brennende Teerpappenteile über die Anfahrtstrasse des Löschzuges und weisen auf ein besonderes Schadenereignis hin.
Daher erhöht der anfahrende Wachabteilungsführer (WAF) der HWB, HBM Bodo Kauert, noch vor Erreichen der Einsatzstelle um 4.36 Uhr das Alarmstichwort auf „Nachalarmierung 2“, d.h. Vollalarm für die gesamte Ortsfeuerwehr Hameln.

Die NZ/RLS alarmiert daraufhin zusätzlich folgende Kräfte:


  • Die Züge 3 und 4 der Freiwilligen Feuerwehr Hameln
  • Alle dienstfreien Schichten (Freiwache) der Hauptberuflichen Wachbereitschaft
  • Sämtliche Führungskräfte der Orts- und Stadtfeuerwehr
  • Team AB-Einsatzleitung


Die Feuerwehrleute des „Hausalarm“ sind um 4.35 Uhr mit dem zweiten TLF 16/25 und einer Besatzungsstärke von 1/3 (SB) abgerückt und treffen um 4.37 Uhr am Brandobjekt ein.
Die NZ/RLS ist von diesem Zeitpunkt an mit einem zweiten hauptberuflichen Disponenten aus dem Wohnhaus der Feuerwache besetzt.

Lagefeststellung

Die erste Erkundung des WAF der HWB um 4.36 Uhr ergibt folgende Lage:


  • Vollbrand des ehemaligen Getreidespeichers II mit einer Flammenhöhe von bis zu 40 Metern
  • Akute Gefährdung des Wohnhauses „Ruthenstrasse 8“ und seiner Bewohner
  • Starke Verqualmung im Innern des KFZ-Meisterbetriebes und drohender Flammenüberschlag. Hier: Akute Gefahr für die dort lagernden Azetylen- und Sauerstoffflaschen durch möglichen Druckgefäßzerknall. Der linke Teil der Werkstatt in der Nähe des Bürogebäudes ist bereits in Brand geraten.
  • Drohende Brandausweitung auf das ehemalige Lagergebäude (Speicher I) der Hauptgenossenschaft.
  • Akute Gefährdung der unmittelbar benachbarten  Wohnhäuser in den Strassen „Ruthenstrasse 11 und 13“ und „Am Hafen 2“ durch brennende Teerpappenteile und starkes Flugfeuer in diese Richtung
  • Starke Gefährdung eines großen Baukrans zwischen der „Villa“ und dem Speicher I durch Hitzeeinwirkung


Um 4.38 Uhr gibt der WAF der HWB folgende Rückmeldung an die NZ/RLS: „Von 10-10: Gesamtes Hauptgebäude der Genossenschaft brennt in voller Ausdehnung !“


Befehl

Der WAF der HWB erteilt in der Zeit von 4.37 - 4.39 Uhr folgende Anweisungen an die zehn, ihm zu dieser Zeit zur Verfügung stehenden Feuerwehrleute (SB) der HWB und des „Hausalarm“:
  • Menschenrettung und komplette Evakuierung des Wohnhauses „Ruthenstrasse 8“ durch den Angriffstrupp der HWB und die RTW-Besatzung
  • Vorbereitung einer Wasserentnahmestelle (Unterflurhydrant) an der Ecke „Ruthenstrasse/Am Hafen“ für das TLF 16/25 der HWB
  • Vorbereitung und Vornahme eines Wenderohres über die DLK 23-12 der HWB
  • Vornahme eines B-Rohres zur Sicherung der KFZ-Meisterwerkstatt


Rückmeldung des WAF der HWB um 4.39 Uhr an die NZ/RLS: „Von 10-10: Wohngebäude Ruthenstrasse 8 wird von uns evakuiert !“

In rascher Folge rücken ab 4.41 Uhr folgende Fahrzeuge der nachalarmierten Kräfte sowie des Einsatzführungsdienstes aus:
  • KdoW-AL (1/0)
  • KdoW-BvD (1/0)
  • DLK 23-12 (1/1)
  • LF 16/12-Pulver (1/6)
  • LF 16/12 (1/7)
  • LF 8 (1/3)
  • RW 2 (1/2)
  • WLF 1 mit AB-Sonderlöschmittel (1/2)


In der Zeit von 4.38 - 4.43 Uhr erreicht die Polizei Hameln mit drei Fahrzeugen den Brandort und sperrt den gesamten Einsatzstellenbereich für den öffentlichen Fahrzeugverkehr.
Um 4.44 Uhr fordert die Polizei einen Abschleppwagen an, um parkende Fahrzeuge aus dem gefährdeten Bereich der Ruthenstrasse zu evakuieren.

Um auf der Feuerwache eine personelle und materielle Reserve für weitere Einsätze in der Kernstadt vorhalten zu können, wird um 4.46 Uhr von der NZ/RLS eigenverantwortlich die Freiwillige Feuerwehr Halvestorf (Stützpunkt) mit jeweils einem TLF 16/25, LF 8 und  MTW alarmiert.

Nachdem die NZ/RLS durch diverse Funk-Rückmeldungen von der Einsatzstelle erfahren hat, „daß dringend weitere Tanklöschfahrzeuge benötigt werden, da sich das Feuer rasend schnell ausbreitet“, alarmiert die NZ/RLS wiederum eigenverantwortlich um 4.50 Uhr zusätzlich die Freiwillige Feuerwehr Unsen mit jeweils einem TLF 16/25,  TSF und  MTW.

Um 4.49 Uhr trifft der Leiter der HWB, Brandoberamtsrat Andreas Zerbe, mit dem KdoW-AL am Brandort ein, läßt sich vom WAF der HWB in die Lage einweisen und übernimmt ab 4.52 Uhr verantwortlich die Einsatzleitung.

Das Wechsellader-Trägerfahrzeug (WLF 1) hat zwischenzeitlich den AB-Sonderlöschmittel abgesattelt, von der Feuerwache den AB-Einsatzleitung aufgenommen und diesen als "Örtliche Einsatzleitung" auf dem Gelände der "Kampffmeyer Mühlen GmbH" an der Ruthenstrasse positioniert. 

Die FF Unsen (1/11) fährt ab 4.58 Uhr mit ihren drei Fahrzeugen direkt die Einsatzstelle an und unterstützt die Hamelner Feuerwehrleute bei der Brandbekämpfung.


Massnahmen vor Ort



  • Menschenrettung und Evakuierung der Familie (2 Erwachsene, 4 Kinder) bis 4.42 Uhr aus dem Haus „Ruthenstrasse 8“ durch den A-Trupp sowie die RTW-Besatzung der HWB. Die Mutter kollabiert bei der Rettung auf der Treppe, kann mit Unterstützung der Feuerwehrleute jedoch das Haus noch verlassen. Die Familie wird dem RTW-DRK und dem Notarzt Hameln übergeben.
  • Bergung von Acetylen, Propan- und Sauerstoffflaschen aus dem akut gefährdeten KFZ-Werkstattgebäude durch Kräfte der HWB und der FF Hameln, bevor das Gebäude durchzündet
  • Bergung von 6 unbeschädigten Personenkraftwagen und einem Oldtimer aus der Garagenanlage zwischen Wohnhaus und Getreidespeicher durch ein rückwärtiges Tor . Die Bergung wird gemeinsam von der Feuerwehr und herbeigerufenen Mitarbeitern der KFZ-Firma durchgeführt.


Abschnittsbildung

Es werden durch den Leiter der HWB zwei Einsatzabschnitte gebildet:

Abschnitt 1: Brandbekämpfung und Wasserversorgung im weserseitigen Bereich des Hafenbeckens/Hafenbahn und Fernwärmeleitung
Hier werden zwei LF 8, 3 TS 8/8 und ein SW 2000 zur Wasserversorgung und Brandbekämpfung eingesetzt.
Abschnittsleiter: HBM Ralf Fuhrmann

Abschnitt 2: Brandbekämpfung im Bereich der „Ruthenstrasse“.
Hier werden unter anderem 3 TLF 16/25, 2 LF 16/12 und 2 DLK 23-12 mit Wenderohren eingesetzt.
Abschnittsleiter: EHBM Thomas Blencke
 
 
Weiterer zeitlicher Einsatzablauf



4.55 Uhr
  • Das Feuer greift auf den Speicher I über
  • Rückmeldung des WAF der HWB an die NZ/RLS: „Von 10-10: Genossenschaft brennt in voller Ausdehnung. Das Wohnhaus Nr. 8 ist evakuiert, kann vermutlich nicht gehalten werden !“


5.08 Uhr
  • Rückmeldung des Einsatzleiters: „Von 99-01: Energieversorgungsunternehmen alarmieren: Fernwärmeleitungen gefährdet !“


5.10 Uhr
  • AB-Einsatzleitung betriebsbereit, eine örtliche Einsatzleitung wird gebildet.


5.13 Uhr
  • Alarmierung eines Messwagens (MW Flegessen) der Kreisfeuerwehr Hameln-Pyrmont auf Anforderung des Einsatzleiters durch die FEL. Nach einer Meßpunktkarte wird die Umweltbelastung bis 7.52 Uhr ohne besondere Feststellungen von diesem MW (1/5) überprüft.


5.20 Uhr
  • Energieversorgungsunternehmen vor Ort, alle Gebäudeteile werden gas- und stromlos geschaltet. Ebenso zwei Trafos im vorderen Bereich des KFZ-Bürogebäudes.


5.28 Uhr
  • Der KFZ-Meisterbetrieb „Schmidt“  brennt nunmehr in voller Ausdehnung. Propangaskartuschen, Dauerdruck-Feuerlöscher,  Lack- und Spraydosen aus dem Ladengeschäft von „Autoteile Schmidt“  zerknallen und fliegen bis an die Hauswand des Gebäudes „Ruthenstrasse 11“. Die Polizei meldet: „Grössere Explosionen, Steine und Dosen fliegen durch die Gegend !“


5.39 Uhr
  • Die Werkstatt „Autoteile Schmidt“ hat durchgezündet und ist innerhalb von nur 11 Minuten trotz mehrerer eingesetzter C- und B-Rohre vollständig ausgebrannt


5.55 Uhr
  • Ein Statiker ist vor Ort eingetroffen und unterstützt die örtliche Einsatzleitung


5.57 Uhr
  • Zu diesem Zeitpunkt befinden sich insgesamt 75 Feuerwehrleute (SB) mit 17 Fahrzeugen vor Ort


6.17 Uhr
  • Die Rauchwolke hat die Ortschaft Hastenbeck (ca.5,5 Kilometer Luftlinie vom Brandobjekt) erreicht. Der Messtrupp stellt keine Gefahr für die Bevölkerung fest.


6.19 Uhr
  • Rückmeldung des Einsatzleiters an die NZ/RLS: „Von 99-01: Wohnhaus Ruthenstrasse 8 brennt das Dach. Alle Menschen evakuiert, werden von RTW und Notarzt versorgt. Autoteile Schmidt total verloren. Alle Gasflaschen evakuiert. Hauptgenossenschaft brennt noch. In allen Etagen sind PA-Trupps im Einsatz.“


6.33 Uhr
  • Rückmeldung des Einsatzleiters an die NZ/RLS: „Von 99-01: Es wird zur Zeit geklärt, in wieweit der Baukran einzustürzen droht und ob in absehbarer Zeit noch weitere Kräfte an der Einsatzstelle benötigt werden.“


7.16 Uhr
  • Anforderung der Freiwilligen Feuerwehr Halvestorf mit TLF 16/25, LF 8 und MTW (1/14) zur Ablösung an die Einsatzstelle


7.45 Uhr
  • Rückmeldung des Einsatzleiters an die NZ/RLS: „Von 99-01: Feuer in Gewalt !“


8.08 Uhr
  • Anforderung der Freiwilligen Feuerwehr Tündern mit LF 8 und MTW (1/16) zur Ablösung an die Einsatzstelle


8.26 Uhr
  • Anforderung der Freiwilligen Feuerwehr Afferde mit LF 8, KLF und MTW (1/11) zur Ablösung an die Einsatzstelle


13.58 Uhr
  • Rückmeldung des Abschnittsleiters 2 über den AB-Einsatzleitung an die NZ/RLS: „Von 10-62: Feuer aus ! Nachlöscharbeiten.“


14.30 Uhr
  • Anforderung der Freiwilligen Feuerwehr Hastenbeck mit LF 8 (1/8) zur Ablösung an die Einsatzstelle


17.11 Uhr
  • Einsatzleiter Zerbe übergibt die Einsatzleitung an den Brandmeister vom Dienst (BvD), BM Dirk Machinia.


18.35 Uhr
  • BvD fordert den Lichtmastanhänger (LiMa) zur Ausleuchtung der Einsatzstelle an


19.59 Uhr
  • BvD übergibt die Einsatzstelle an den Leiter einer Brandwache (1/5), die vorsorglich mit einem LF 16/12 und einem MTW vor Ort verbleibt, weil immer wieder kleine Brandnester abgelöscht werden müssen.


4. März 2002 / 2.01 Uhr
  • Einsatzende. Die letzten Feuerwehrfahrzeuge rücken zur Wache ein.


Weitere Massnahmen im Einsatzverlauf
  • Verständigung der Kläranlage Hameln wegen der möglichen Gefahr kontaminierten Löschwassers
  • Alarmierung eines ortsansässigen Abbruchunternehmers, um mit einem Spezialbagger einsturzgefährdete Gebäudeteile einzureissen bzw. eingestürzte Gebäudeteile wegzuräumen, um Nachlöscharbeiten gezielt durchführen zu können.
  • Alle Kanaleinläufe wurden abgedichtet, um das Eindringen kontaminierten Löschwassers zu verhindern
  • Alarm für die Umweltabteilung der Stadt Hameln wegen der Gefahr der Wasser- und Kanalverschmutzung
  • Anforderung des Notdienstes des Fernwärme-Energieversorgungsunternehmens, um einsturzgefährdete Fernwärmeleitungen, die in diesem Bereich auf Stahlträgern verlaufen, abzustützen.
  • Bergung von Mobiliar und persönlichen Gegenständen der Familie aus dem Wohnhaus „Ruthenstrasse 8“
  • Organisation der Unterbringung der Familie aus dem Wohnhaus und ihres Mobiliars bei Nachbarn. Unter anderem wurde eine gefüllte Kühltruhe in ein Nachbarhaus verbracht und eine Notstromversorgung für das Wohnhaus in Vorbereitung gebracht.
  • Anforderung des städtischen Notdienstes zur kompletten Absperrung der Ruthenstrasse mit Warnbaken und Blinkleuchten, um die provisorische Absperrung durch Polizeifahrzeuge auflösen zu können.


Fazit

Die schnelle Alarmierung aller in Hameln verfügbaren Feuerwehrkräfte innerhalb der ersten 2 Minuten nach dem ersten Notruf stellt ein sehr ungewöhnliches Ereignis dar, macht jedoch deutlich, daß die in der Anfangsphase verantwortlichen Kräfte der NZ/RLS sowie der WAF der HWB sofort nach der Devise: „Nicht kleckern, sondern klotzen !“  handelten.
Auch die eigenverantwortliche Alarmierung der mit jeweils einem TLF 16/25 ausgestatteten Ortsfeuerwehren Halvestorf und Unsen erwies sich, abschließend betrachtet, als richtig.
Durch die geringe Entfernung von der Feuerwache zum Brandobjekt konnten sehr schnell die nachalarmierten Einheiten herangeführt werden.
So konnte man vor Ort erreichen, daß bedeutende Sachwerte (diverse Kraftfahrzeuge, Werkstattausstattung, Druckgasflaschen, Wohnungseinrichtung etc.) erhalten werden konnten.
Durch den massiven Einsatz von Trupps unter umluftunabhängigem Atemschutz in allen Etagen des Speichers I konnte ein komplettes Übergreifen der im Einsatzverlauf bis zu 80 Meter hohen Flammen auf diesen Gebäudeteil verhindert werden.
Dieses ist dadurch besonders hoch zu bewerten, da die Flammen bereits Teile dieses Speichers erfasst hatten.
Auch das Wohnhaus konnte komplett gerettet werden, obwohl der Brand sich bereits bis zur Dachhaut des Gebäudes ausgebreitet hatte.
Alle in der Nacht anwesenden sechs Bewohner konnten unverletzt gerettet werden.
Weiterhin gelang es durch massiven Wassereinsatz, die stark gefährdeten Wohnhäuser der Ruthenstrasse sowie der Nachbarstrasse Am Hafen zu schützen, trotz daß starkes Flugfeuer diese Arbeit nachhaltig behinderte.
Positiv zu bewerten ist auch, daß die Löschwasserversorgung zu keinem Zeitpunkt eine Schwierigkeit darstellte, da das Unterfluhydranten-System in der Anfangsphase des Einsatzes reibungslos funktionierte und im weiteren Einsatzverlauf die „Weser“ als offenes Gewässer für ausreichend Löschwasser sorgte.
Auch der vom Feuer bedrohte Baukran konnte wirkungsvoll geschützt werden, so daß dieser (nach gutachterlicher Prüfung) in der späteren Neubauphase der „Jugendwerkstatt Hameln“ ohne Einschränkungen eingesetzt werden konnte.
Die Zusammenarbeit der verschiedenen Feuerwehren sowie aller anderen eingesetzten Kräfte vor Ort kann als planvoll und gut bezeichnet werden. Die gemeinsame örtliche Einsatzleitung im AB-EL war schnell zur Stelle und unterstützte die NZ/RLS wirkungsvoll.
Die „Jugendwerkstatt Hameln“ hat zwischenzeitlich ihre neuen Räumlichkeiten bezogen und konnte große Teile der von der Feuerwehr bewahrten Bausubstanz nach Umbauarbeiten übernehmen.
Die völlig zerstörte Werkstatt von „Autoteile Schmidt“ mußte abgerissen werden. Die Ursache für diesen Totalverlust liegt sicherlich in der fehlenden brandschutztechnischen Abtrennung zum Speicher II. Die Firma hat ihren Firmensitz innerhalb Hamelns verlegt.
Der ehemalige Getreidespeicher (Speicher II), in dem der Brand gelegt worden ist, war bereits in der Brandnacht vollkommen zerstört worden und eingestürzt. Er wurde komplett abgerissen und durch einen Neubau ersetzt.

Eingesetzte Kräfte


  • Hauptberufliche Wachbereitschaft der Freiwilligen Feuerwehr Hameln (alle drei Wachabteilungen)
  • Freiwillige Feuerwehr Hameln (alle vier Züge; alle Führungskräfte)
  • Team „AB-Einsatzleitung“ der Freiwilligen Feuerwehr Hameln
  • Messtrupp der Kreisfeuerwehr (MW der Freiwilligen Feuerwehr Flegessen)
  • Freiwillige Feuerwehr Halvestorf  (Besetzung Feuerwache; 1. Ablösung)
  • Freiwillige Feuerwehr Unsen (Brandbekämpfung und Wasserversorgung in der Erstphase)
  • Freiwillige Feuerwehr Afferde (2. Ablösung an der Einsatzstelle)
  • Freiwillige Feuerwehr Tündern (2. Ablösung an der Einsatzstelle)
  • Freiwillige Feuerwehr Hastenbeck (3. Ablösung an der Einsatzstelle)
  • RTW (DRK Hameln)
  • NEF (LK Hameln-Pyrmont)
  • Mehrere Notdienstfahrzeuge der zuständigen Energieversorgungsunternehmen sowie der Stadt Hameln
  • Spezial-Abbruchbagger eines Privatunternehmens
  • Polizei Hameln mit insgesamt 10 Streifen- und Zivilfahrzeugen
  • Umweltabteilung der Stadt Hameln
  • Führungskräfte der Kreisfeuerwehr
  • Abschleppfahrzeuge eines Privatunternehmens


Insgesamt kamen bei diesem Einsatz 129 Feuerwehrleute (SB) mit 29 Fahrzeugen zum Einsatz.

Eingesetzte Löschmittel
  • 15 C-Rohre
  • 5 B-Rohre
  • 3 Wasserwerfer
  • 2 Wenderohre
  • 1 Schwerschaumrohr


Schadenhöhe

ca. 2.000.000 €

Gesamteinsatzleiter

Brandoberamtsrat Andreas Zerbe


Einsatzbericht

HBM Bernhard Mandla
Feuerwehr Hameln
Hauptberufliche Wachbereitschaft
Leiter NZ/RLS

In der Brandnacht war der Verfasser der diensthabende Disponent in der NZ/RLS.

Er wurde ab 4.37 Uhr von OBM Michael Wömpener (Freiwache HWB) bei der Abwicklung dieses Brandeinsatzes unterstützt.

Fotos (7)

© by DEWEZET, Friedrich-Wilhelm Thies (alle Rechte vorbehalten)

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