Anfang 1920
Es gibt erste Überlegungen der Freiwilligen Feuerwehr und des Magistrats der Stadt Hameln über die Anschaffung einer Motorspritze. Es wurden drei Angebote eingeholt.
Eine neue Automobilspritze kostet zu diesem Zeitpunkt ca. 130.000,- Mark. Ein solche Ausgabe kann sich die Stadt zu der Zeit nicht leisten.
September 1920
Der Magistrat der Stadt Hameln stellt eine Anfrage an den Fabrikantenverein (heute Arbeitgeberverband), ob für die Beschaffung einer Automobilspritze von den heimischen Firmen ein Beitrag geleistet werden kann
01.Oktober 1920
Der Fabrikantenverein erteilt der Anfrage des Magistrats eine Absage mit dem Hinweis, dass die Arbeitgeber sowieso schon die am meisten belasteten Steuerzahler wären und die Automobilspritze zum Großteil ausschließlich zum Nutzen der Allgemeinheit wäre. Dies ist eine Aufgabe der Stadt und daher auch von dieser zu finanzieren.
März 1922
Erneute Versuche der Freiwilligen Feuerwehr und des Magistrats zusammen mit dem Kreis eine Beschaffung zu realisieren.
21. Juni 1922
Im Hotel zur Börse in Hameln findet eine Gesellschafterversammlung zur Beschaffung einer Automobilspritze statt.
Es wird die Automobil-Spritzen-Gesellschaft für Hameln und Umgebung gegründet. Gesellschafter sind die Stadt Hameln, der Kreis Hameln sowie die Umlandgemeinden zu je 1/3 der Anteile.
Nach der Beschaffung der Automobilspritze soll diese bei der Freiwilligen Feuerwehr Hameln untergebracht werden und von den Kameraden im Einsatzfall besetzt und bedient werden. Sie bleibt Eigentum der Gesellschaft.
Es wird eine Arbeitsausschuss gegründet, der eine Satzung, eine Gebührenordnung und Bestimmungen über die Feuerlöschhilfe erarbeiten soll. Der Geheimrat Freydanck soll einen Gesellschaftsvertrag ausarbeiten und einen Vertrag mit der Freiwilligen Feuerwehr Hameln über die Unterstellung und Benutzung der Automobilspritze.
Mitglieder des Arbeitsausschusses:
Der Ausschuss wird als erstes angewiesen, sofort das Schreiben an die Selve-Werke Hameln und an die Firma Basse und Selve in Altena wegen der Bestellung der Automobilspritze aufzusetzen.
20. Juli 1922
Der Magistrat der Stadt Hameln stimmt dem Gesellschaftervertrag zu. Durch die hohe Inflation zu dieser Zeit, belaufen sich die Anschaffungskosten für die Automobilspritze auf ca. 600.000,- Mark und für Schläuche und Zubehör auf ca. 150.000,- Mark.
04. Juni 1923
Die Landschaftliche Brandkasse Hannover gewährt einen Zuschuss zu der Anschaffung der Automobilspritze in Höhe von 200.000,- Mark.
An die Bewilligung wird folgende Bedingung geknüpft:
Die Automobilspritze muss zur Hilfeleistung bei größeren Bränden in allen Orten des Kreises Hameln-Pyrmont und in den benachbarten Teilen der Provinz Hannover bis zu einem Radius von 30 Kilometer ausrücken.
05. Oktober 1923
Durch die Wirtschaftskrise 1923 und die rasend voranschreitende Inflation wurden die Geschäfte ausschließlich in wertbeständigen Devisen abgerechnet. Der neue Preis für die Automobilspritze wird jetzt mit 12.300,- Goldmark angegeben. Für das Zubehör sind 1500,- Goldmark zu bezahlen.
Zwischen den Selve-Werken und der Gesellschaft herrscht reger Schriftverkehr über das Zahlungsmittel. Die Selve-Werke bestehen auf die Bezahlung durch Goldmark.
09. November 1923
Der endgültige Lieferpreis inklusive Zubehör beträgt nun 15.000,- Goldmark.
Im Laufe des Jahres 1927 häuften sich die Reparaturen an der Selve-Automobilspritze. Schon in den Vorjahren waren immer mal wieder Schäden aufgetreten. Der Magistrat der Stadt Hameln veranlasst daraufhin die Erstellung eines Gutachtens über die Einsatzfähigkeit der Automobilspritze.
27. Juli 1927
In seinem Gutachten kommt der Branddirektor Effenberg von der Berufsfeuerwehr Hannover zu folgendem Ergebnis:
Originaltext:
Die Pumpe ist in ein gewöhnliches Chassis der Selve-Werke eingebaut. Daraus ergab sich die Unzuträglichkeit, dass die Pumpenwelle nicht in gleicher Höhe mit der Antriebswelle vom Motor zu liegen kam. Die Überbrückung des Höhenunterschiedes ist nun in einer technisch nicht einwandfreien Weise erfolgt, indem die Übertragung der Umdrehungen vom Motor nach der Pumpe durch eine starre Welle erfolgt, die an beiden Seiten mit Flanschen versehen wurde. Diese Flanschen sind an beiden Seiten einmal mit der Pumpenwelle andererseits mit der betreffenden Welle am Motor mit an diesen Wellen ebenfalls angebrachten gleichgrossen Flanschen verbunden. Zum Ausgleich der bei den Umdrehungen an den verschiedenen Stellen der Flanschen auftretenden verschiedenen Drücke dient eine Packung. Diese technisch verfehlte Übertragung muss natürlich zu allerhand Störungen führen, die auch durch sorgsamste Pflege nicht ausgeglichen werden können. In gleicher Weise muss die Zuverlässigkeit und Leistungsfähigkeit der Pumpe, wie die Praxis ergeben hat darunter leiden. M.E. würde nur unter grossen Schwierigkeiten und mit grossen Kosten der Versuch gemacht werden können, die eben gekennzeichneten Übelstände zu beseitigen. Ob das gelingt, ist freilich fraglich.
Die weiteren Ermittlungen ergaben überdies noch, dass die genannten Überstände nicht die einzigen sind, die die Spritze als erstes und ernstes Angriffsfahrzeug ungeeignet erscheinen lassen. So war bei der vorgenommenen Probe ein nennenswertes Vakuum nichtzuerzielen. Die Steuerung geht schwer, die Bedienung der Kupplung am hinteren Ende des Fahrzeugs funktioniert scheinbar schon lange nicht, der betreffende Hebel ist ausserdem so ungünstig angebracht, dass er auch bei Funktionieren der Einrichtung nur schwer bedient werden kann. Asserdem soll der Rückwärtsgang nicht immer eingreifen, sodass Schwierigkeiten in der Bewegungsfähigkeit entstehen können.
Alles in allem genommen kann ich die Spritze nicht als ein wirklich zuverlässiges Feuerwehrgerät ansprechen.
19. Oktober 1927
Für 20.470,90 Reichsmark wird eine Automobil-Magirus-Motorspritze gekauft.
Juni 1933
Nach Jahren in der Vergessenheit werden Überlegungen zur Reparatur der Selve-Überlandspritze geführt. Die veranschlagten Kosten von 500,- – 600,- Reichsmark erscheinen zu hoch und werden verworfen.
20. Oktober 1935
Die Magirus-Motorspritze verunfallt am Tünderschen Bahnhof. Es entsteht ein Schaden von 1880,- Reichsmark.
Winter 1935 / 1936
Durch die enstandenen Reparaturkosten kommt es zum Streit zwischen Stadt Hameln und Kreis. Da im Kreisgebiet inzwischen 20 Klein-Motorspritzen existieren, verweigert der Kreis eine Kostenbeteiligung an der Reparatur und möchte eine Auflösung der Gesellschaft erreichen.
06. Februar 1936
Die Stadt Hameln zahlt dem Kreis einen Abstand von 500,- Reichsmark. Die Magirus-Motorspritze geht damit in den Besitz der Stadt Hameln über. Die Automobil-Spritzen-Gesellschaft für Hameln und Umgebung wird rückwirkend zum 21.10.1935 aufgehoben.